Kolumne 31

Juni, menschliches Glück, Leidenschaften, ganz viel Sommer und das pralle Leben

 

Sommerfrische

 

Zupf dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß.

Das durch den sonnigen Himmel schreitet.

Und schmücke den Hut, der dich begleitet,

Mit einem grünen Reis.

 

Verstecke dich faul in der Fülle der Gräser.

Weil´s wohltut, weil´s frommt.

Und bist du ein Mundharmonikabläser

Und hast eine bei dir, dann spiel, was dir kommt.

 

Und lass deine Melodien lenken

Von dem freigegebenen Wolkengezupf.

Vergiss dich. Es soll dein Denken

Nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf.“

 

Joachim Ringelnatz, 1883–1934, deutscher Schriftsteller, Kabarettist und Maler

 

 

Dank des vielen Regens im Frühjahr wächst unser Garten über seine grünen Grenzen hinaus. Wahre Wonnebilder, die mich täglich begleiten und beseelen. Viele kleine Momente des Glücks über das eigene kleine Paradies. Und viel Grund zur Freude, wenn Dinge klappen.

 

Im Frühjahr hatte ich ein Schwertlilienbeet aufgelöst. Nach 15 Jahren großen Blüherfolgs und vieler schöner Fotos, stand jetzt mal eine Beetrenovierung an. Trotz sehr schwierigem Boden, Lehm wie purer Ton, dann wieder sandige Abschnitte – Klassiker in unserem Weißer Rheinbogen – konnten die neuen Stauden und Gräser prima Fuß fassen. Agastache 'Blue Fortune' (Duftnessel), Stipa tenuissima 'Angel Hair' (Federgras), Salvia nemorosa 'Mainacht' (Ziersalbei) und die schöne Verbascum nigrum 'Album' (Königskerze) bespielen ihr Fleckchen Erde mit Leichtigkeit und Wuchsfreude.

 

 

Diese Pflanzenkombi ist wie geschaffen für trockene, hitzige Sommer.

Sie schaffen das, wo andere Pflanzenfamilien mit hängenden Köpfchen einen Beetabgang hinlegen.

 

 

„Im Juni explodiert die Welt der Blätter und Blumen und jeder Sonnenuntergang ist anders.“

 

John Steinbeck, 1902–1968, amerikanischer Schriftsteller

 

 

Ein Grund zur Freude – gepaart jedoch mit etwas Ärger – ist die schöne Kletterhortensie (Hydrangea petiolaris) in unserem Garten. Sie wächst seit 20 Jahren an unserer Villa Süden. Dafür hat sie sich reichlich Zeit gelassen, da Kletterhortensien langsame, ausholende Fassadenkletterer sind. Wer also vorhat, ein schnelles Fassadenglück zu pflanzen, liegt mit der Hydrangea petiolaris nicht richtig.

 

Ende Mai/ Anfang Juni schiebt sie dann ihre wunderschönen, cremeweißen, circa 25 cm breiten Schirmblüten durch die dunkelgrün glänzenden Blätter. Dabei verströmt sie einen süßlichen Duft und zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Pure Freude! Der Grund für den Verdruss ist ihr Fallenlassen der inneren Blüten, die von einem äußeren Kranz weißer Schaublüten gerahmt sind, den sogenannten Schirmrispen.

 

 

Wenn man, wie wir, seinen Terrassentisch in unmittelbarer Nähe stehen hat, sind über Wochen hinweg Tisch, Boden und Stühle mit einem cremeweißen, hellgelben Blütenmehl bepudert. Halt selbst Schuld, wenn man die Kletterhortensie so nah haben will, wie wir :-). Für Hummeln, Bienen und Schmetterlinge ist sie jedenfalls ein unwiderstehlicher Anziehungsmagnet.

 

 

„Aus Gras wird Heu. Aus Obst Kompott. Aus Herrlichkeit wird Nahrung. Aus manchem, was das Herz erfuhr, wird, bestenfalls, Erfahrung.“

 

Erich Kästner, 1899–1974, deutscher Schriftsteller, Drehbuchautor, Publizist

 

 

In sämtlichen Weltkulturen drückt sich vollkommenes Glück zum Beispiel im Erschaffen eines Gartens aus. In meinem Denken gibt es nur einen Weg für großes Gartenglück: Gärtnern als ein Lebensprojekt zu betrachten. Mit viel Liebe zu sich und seinem Ort. Ihn zu beseelen. Ein lebenslanges Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur.

 

 

„Hab keine Angst vor Perfektion.

Du wirst sie nie erreichen.“

 

Salvador Dali, 1904–1989, spanischer Maler, Grafiker, Schriftsteller, Bildhauer und Bühnenbildner

 

 

Giuseppe Verdi, 1813–1901, pflanzte nach Fertigstellung jeder seiner Opern einen Baum auf seinem Landgut Sant’ Agata. 1859 hätte der Künstler fast das Komponieren zugunsten des Gärtnerns aufgegeben. Er entschied sich dann doch für die Kombination der Künste. Zum großen Glück für alle Opernliebhaber.

 

Nicht jeder ist in der Lage nach jedem beruflichen Erfolg einen Baum zu pflanzen. Jeder ist allerdings in der Lage, wenn er den Reichtum und Lebenswert eines Gartens begriffen hat, die vielen Momente des Glücks über das eigene kleine Paradies zu zelebrieren.

 

 

 

„Es ist eine gesegnete Arbeit, und hätte Eva im Paradies einen Spaten gehabt und etwas damit anfangen können, hätten wir nicht diese ganze traurige Geschichte mit dem Apfel.“

 

Elizabeth von Arnim, 1866–1941, britische Schriftstellerin

 

 

Herzlichst

Margit Müller-Vorländer