Kolumne 28

Niederlande – Oder von wilden Robben, Gräsern, Rhododendren und dann noch der einen Sache

 

„Frühling

 

Die Bäume im Ofen lodern.

Die Vögel locken am Grill.

Die Sonnenschirme vermodern.

Im übrigen ist es still.

 

Es stecken die Spargel aus Dosen

Die zarten Köpfchen hervor.

Bunt ranken sich köstliche Rosen

In Faschingsgirlanden empor.

 

Ein Etwas, wie Glockenklingen,

Den Oberkellner bewegt,

Mir tausend Eier zu bringen,

Von Osterstören gelegt.

 

Ein süßer Duft von Havanna

Verweht in ringelnder Spur.

Ich fühle an meiner Susanna

Erwachsende neue Natur.

 

Es lohnt sich manchmal, zu lieben,

Was kommt, nicht ist oder war.

Ein Frühlingsgedicht, geschrieben

Im kältesten Februar.“

 

Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Dichter, Schriftsteller, Kabarettist und Maler

 

 

 

Diese Woche gab‘s schon die ersten wärmeren Tage – und gleich darauf wieder einen Wintereinbruch. Trotzdem schmiss ich mich in Vor-Frühlingslaune in meinen schicken Gartenoverall und verbrachte viele Stunden am Stück eifrig und mit großer Zufriedenheit in unserem Garten. Welch Wohltat: endlich wieder Gartenzeit. Das große Schwertlilienbeet ist aufgelöst, und einige liebe Freunde kamen mit großen leeren Packtüten vorbei und gingen mit schweren vollen Taschen gefüllt mit Schwertlilien in den eigenen Garten. Ein gutes Gefühl, dass die vielen Iris in neue gute Gartenplätze einziehen und von umsorgenden Gartenbesitzer-innen gehegt und gepflegt werden.
 
Und auf unsere freie Fläche dürfen sich zeitnah kleine neue Stauden und Gräser behaupten und etablieren. Ich freue mich schon sehr drauf, ihnen beim Wachsen zuzusehen.
 
Des Weiteren knüpfte ich am Erfolg des letzten Jahres an und spritzte unsere Spalier- und Hochstammobstbäume mit dem, wie ich finde, genialen Austriebs-Spritzmittel von Neudorff. Natürlich gibt es auch andere. Februar/März ist genau die richtige Zeit dafür. Dieses Konzentrat hat einen Wirkstoff natürlichen Ursprungs und verhindert – zum richtigen Zeitpunkt angewendet –, dass sich Läuse und Milben an den Obstbäumen einnisten. So konnten sich unsere noch jungen Apfelbäume im vergangenen Jahr kräftig im Wuchs entwickeln. Ein weiterer wichtiger Zusatz für den Boden war und ist bei unseren Apfelbäumen ein Bodenaktivator. Er macht den Boden fruchtbar und sorgt für mehr Regenwürmer.
 
Manchmal sind Erdbereiche im Garten nicht überall gleich gut bestellt, dann sollte man das biologische Gleichgewicht auf angemessene Art fördern. Die Freude an gesunden Pflanzen ist einfach unschlagbar schön.

 

 

„Lebe in der Sonne, schwimme im Meer, trinke die wilde Luft.“

 

Ralph Waldo Emerson, amerikanischer Philosoph, 1803–1882

 

 

Über Karneval waren mein Mann und ich in den Niederlanden, am traumhaften Nieuwvliet-Strand; ein paar Tage entspannte Strandspaziergänge am Meer – und die tägliche Suche nach Restaurants. Denn sehr zu unserem Bedauern öffneten die vielen schönen Strandcafés nämlich nur am Wochenende. Und einige andere Lokale machten nur für anderthalb Stunden an manchen Abenden auf. Essen auf Zeit. Der Personalmangel und die noch Vorsaison machten andere Öffnungszeiten wohl leider nicht möglich.

 

 

„Ich gehe morgens zum Ufer hinunter

und je nach Stunde rollen die Wellen hinein oder heraus und ich sage: Oh, ich bin unglücklich,

was soll -

was sollte ich tun? Und das Meer sagt mit seiner schönen Stimme:

Entschuldigung, ich habe Arbeit zu erledigen.“

 

Mary Oliver, amerikanische Schriftstellerin, 1935–2019

 

 

Ein großes Glücksgefühl stellte sich allerdings bei uns Beiden ein, als wir direkt beim ersten Spaziergang eine süße, kleine Robbe am Strand verweilen sahen; also ganz anders, als auf Langeoog im November letzten Jahres, wo wir stundenlang nach den kleinen, süßen Tieren für einen Filmdreh Ausschau hielten. Damals komplett ohne Erfolg.

 

 

„Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche ruhig zu verehren.“

 

Johann Wolfgang Goethe, deutscher Dichter, 1749–1832

 

 

Und jetzt lag sie da. So unverhofft. Natürlich haben wir den 200 Meter Schutz-Abstand eingehalten. Auf ein solches Robben-Treffen hatten wir uns ja bereits eingehend vorbereitet. Überrascht waren wir dann aber von der Nonchalance der strandlaufenden Einheimischen und Touristen, die einigermaßen ratlos – um nicht zu sagen: verständnislos – auf unsere Fragen nach einer Robbenauffangstation reagierten. Der Hund einer deutschen Touristin trieb die kleine Robbe dann wieder ins Meer. Und das war’s. Niets bijzonders am Strand von Holland.

 

 

„Das Herz des Menschen ist sehr ähnlich wie das Meer, es hat seine Stürme, es hat seine Gezeiten und in seinen Tiefen hat es auch seine Perlen.“

 

Vincent van Gogh, niederländischer Maler, 1853–1890

 

 

In einer unserer beiden Unterkünfte hatten die Gastgeber in ihrem großen Garten wunderbar gewachsene niedrige Rhododendren und unzählige Hortensien angelegt. Dazu einen großen charmanten Küchenkräutergarten direkt an ihrer Restaurantküche. Und ganz viele knorrige alte kleine Obstbäume auf einer großzügigen Wiesenlandschaft, eingerahmt von ästhetischen Hainbuchenhecken.

 

Sehr angetan von dieser grünen Gestaltungsfreude vieler niederländischer GartenbesitzerInnen und ihrem oftmals naturnahen Gartenverständnis, erinnerte ich mich postwendend an meine Idee, dieses Jahr endlich einen weiteren Rhododendron zu kaufen. Viele Jahre tat ich mich sehr schwer mit diesem Gehölz. Trotzdem wurde ich immer wieder aufmerksam auf seine Stärken im Garten – wenn er richtig eingesetzt wird. Das heißt nicht in einer Monopolstellung. Sondern als zurückhaltender Zuspieler. So gefällt er mir am besten. Eine tolle Kombi ist Rhododendron in Verbindung mit Hortensien. Der Rhododendron startet das Jahr mit seinen opulenten Blüten, und die Hortensien ziehen das überschäumende Blütenthema konsequent durchs Jahr hindurch. So gesehen ein kleiner Staffellauf der beiden. Uns GartenbesitzerInnen zur Freude.

 

 

„Frühling auf Vorschuss

 

Im Grünen ist’s noch garnicht grün.

Das Gras steht ungekämmt im Wald,

als sei es tausend Jahre alt.

Hier also, denkt man, sollen bald

die Glockenblumen blüh’n?

 

Die Blätter sind im Dienst ergraut

und rascheln dort und rascheln hier,

als raschle Butterbrotpapier.

Der Wind spielt über’m Wald Klavier,

mal leise und mal laut.

 

Doch wer das Leben kennt, der kennt’s.

Und sicher wird’s in diesem Jahr

so, wie’s in anderen Jahren war.

Im Walde sitzt ein Ehepaar

und wartet auf den Lenz.

 

Man soll die beiden drum nicht schelten,

sie lieben die Natur

und sitzen gern in Wald und Flur.

Man kann’s ganz gut verstehen, nur:

Sie werden sich erkälten!

 

Erich Kästner, deutscher Schriftsteller, 1899–1974

 

 

Eine Sorte ist für mich herausragend: der großblumige Rhododendron. Meine neue Errungenschaft soll aus der Zuchtstube von Hachmann kommen: der außergewöhnliche Milk and Coffee. Die Blüte besitzt einen hellen Ocker-Ton mit kastanienroter Zeichnung. Wie ein blasser Milchkaffee. Die Blätter besitzen braunrote Blattstiele, die sehr steil zum gleichfarbigen Stiel stehen. Das korrespondiert hervorragend mit unserem dunkel-laubigen Malus (Zierapfel) Royalty mit seinen karminroten Blättern und Blüten. Er steht auf Hochstamm und hält sein Blätterdach wie einen Sonnenschirm über den zukünftigen Wohnort des Rhododendrons.

 

Ein weiteres Pflanzvergnügen werde ich diesem Frühling starten: Asiatische Lilien. Vor sehr vielen Jahren konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und buddelte viele Zwiebeln dieser orientalischen Liliensorte im Februar in den Boden ein. Sie besitzen besonders prächtige Blüten, meist duftend. Allerdings zieht ihre anmutige Schönheit auch die blöden Lilienhähnchen an. Knallig rot treten sie gerne mehrfach im Jahr in großen Schüben am Laub der Lilien auf. Die knallroten Käfer an sich lassen sich recht leicht absammeln. Die Larven des Käfers sollten aber auch gut im Blick behalten werden. Sie müssen runter gerieben werden. Zu empfehlen ist beispielswiese das Bestäuben der befallenen Blätter mit Gesteinsmehl.

 

So viel zu den Stresspunkten dieser prächtigen Pflanze. Genau die waren ja auch der Grund, warum ich irgendwann die Lust an ihnen verlor. Nun lege ich eine nächste Runde ein und versuche, mich mit aller Zuwendung ein weiteres Mal auf sie einzulassen. Aber an ganz kurzer Leine!

 

Das Ergebnis wären dann stimmungsvolle Pflanzenbilder.

 

Und da ich ja gerne nach Farben und dem Klang der Namen auswähle:

 

-Lilie Viva la Vida (kastanienrote Blüten mit goldenem Auge und Rändern)

 

-Lilie Black out (rote Blütenblätter mit tiefroter Mitte)

 

-Lilie Netty`s Pride (weiß mit karminrotschwarzer Mitte und orangenen Blütenpollen)

 

-Lilie Pretty Woman (riesige weiße Blüten, am Anfang haben die Blüten einen rosa Hauch, imposanter intensiver Duft)

 

„Vielen Dank für die Wolken.

Vielen Dank für das Wohltemperierte Klavier

und, warum nicht, für die warmen Winterstiefel.

Vielen Dank für mein sonderbares Gehirn

und für allerhand andre verborgene Organe,

für die Luft und natürlich für den Bordeaux.

Herzlichen Dank dafür, daß mir das Feuerzeug nicht ausgeht,

und die Begierde und das Bedauern, das inständige Bedauern.

Vielen Dank für die vier Jahreszeiten,

für die Zahl e und für das Koffein

und natürlich für die Erdbeeren auf dem Teller,

gemalt von Chardin, sowie für den Schlaf,

für den Schlaf ganz besonders,

und, damit ich es nicht vergesse,

für den Anfang und das Ende

und die paar Minuten dazwischen

inständigen Dank,

meinetwegen für die Wühlmäuse draußen im Garten auch.“

 

Hans Magnus Enzensberger, deutscher Dichter und Schriftsteller, 1929–2022

 

Herzlichst

Margit Müller-Vorländer

 

 

PS: Dieses Mal nur Strandbilder, denn: Man sitzt insgesamt viel zu wenig am Meer.