Kolumne 30

Aktives Nichtstun, fachlich untermauert

 

„Was ist die Schönheit der Natur ohne das fühlende Herz, das sie zu empfinden vermag.“

 

Sophie Mereau, deutsche Schriftstellerin, 1770–1806

 

 

Zuallererst wollte ich nochmal auf meine Vorliebe der Vogelbeobachtung in unserem Garten zu sprechen kommen. Neulich im Auto hörte ich einen interessanten Beitrag im Radio dazu. Also nicht zu mir persönlich und meiner Freude am Beobachten, vielmehr ging es darum, dass Fachleute aus der Psychologie und Medizin schon seit sehr langer Zeit zu der These forschen:

 

Vogelbeobachtung fördert das Wohlbefinden und baut Stress ab.

 

 

Zuhause angekommen, recherchierte ich nochmal zu dem Thema und fand einen erhellenden Beitrag in der Zeitschrift Psychologie Heute von Anna Gielas. Danach stellte das amerikanische Umweltpsychologenpaar Rachel und Stephen Kaplan fest: Wer regelmäßig Zeit in der Natur verbringt, kann seine Aufmerksamkeit regenerieren und seine Konzentrationsfähigkeit fördern. In den Vereinigten Staaten hat sich diese Beobachtung als die Theorie von der Wiederherstellung der Aufmerksamkeit etabliert.

 

„Die Vogelwelt trage zu dieser Regeneration und Erholung bei – nicht zuletzt indem die Beobachtung der kleinen Flugakrobaten sogenannte sanfte Faszination auf den Menschen ausübe: Die Vögel ziehen Aufmerksamkeit auf sich, ohne uns Anstrengung abzuverlangen, und bringen gleichzeitig Freude durch ihre Ästhetik und Eleganz. Man kann gedankenverloren den schönen Bewegungen und Gesängen der Tiere folgen, ohne in tiefere Sinnsuche einzutauchen.“

 

 

Der amerikanische Psychologe Daniel Cox und sein Team erstellten die These:

 

„Vogelgesang kann Gefühle der Ängstlichkeit lindern und depressive Gedanken ein Stück weit unterbinden.“

 

aus Psychologie Heute, vom 3. Juni 2022, von Anna Gielas

 

 

Ich finde, wenn man das alles noch so fachlich untermauert liest, unterstreicht es den unbedingt nachgehenden, gesundheitsfördernden Aufenthalt in der Natur und im Garten. Mehr Zeit fürs Beobachten und aktives Nichtstun einräumen. Einfach nur wahrnehmen und innehalten.

 

 

„Beobachtung ist eine aussterbende Kunst.“

 

Stanley Kubrick, US-amerikanischer Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, 1928–1999

 

Seit letztem Jahr beobachten wir in unserem Garten, wie großartig Kaffeesatz als Dünger funktioniert. Mir ist klar, dass sehr viele Menschen von diesem Wundermittel wissen. Mir erschloss sich aber erst letztes Jahr, wie wertvoll dieses eigentliche Abfallprodukt ist.

 

„Auch nach jahrzehntelangem Leben in freier Natur werden uns immer noch Eindrücke und Anblicke im Kleinen und Großen zuteil, bei denen wir fühlen: dies sehe oder beachte ich heute zum erstenmal.“

 

Karl Foerster, deutscher Gärtner, Staudenzüchter und Gartenschriftsteller, 1874–1970

 

Mein Mann fing irgendwann an, unseren tagtäglichen Kaffeesatz zu sammeln. Da wir nur Filterkaffee trinken, kommt bei uns einiges von diesem dunklen Gold zusammen. Es erhält wertvolle Inhaltsstoffe wie Kalium, Stickstoff, Phosphor, Gerbsäure und Antioxidantien. Letztere Beiden machen die Pflanzen widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge und wirken zudem gegen Schadstoffe im Boden. Und das Beste: Schnecken mögen kein Koffein. Gut für unsere Pflanzen, die dadurch ungehindert wachsen und gedeihen können.

 

„… Jetzt in dichtbelaubten Hecken,

wo es still verborgen blieb,

rüstet sich das Volk der Schnecken

für den nächtlichen Betrieb.

 

Tastend streckt sich ihr Gehörne.

Schwach nur ist das Augenlicht.

Dennoch schon aus weiter Ferne

wittern sie ihr Leibgericht.

 

Schleimig, säumig, aber stete,

immer auf dem nächsten Pfad,

finden sie die Gartenbeete

mit dem schönen Kopfsalat.

 

Hier vereint zu ernsten Dingen,

bis zum Morgensonnenschein,

nagen sie geheim und dringen

tief ins grüne Herz hinein ...“

 

aus: Wilhelm Busch: Die Schnecken

deutscher Dichter und Zeichner, 1832–1908

 

 

In dieser Jahreszeit steht unser Garten immer in schönster Tulpenpracht. Als riesengroßer Fan dieser wunderschönen Zwiebelpflanzen habe ich natürlich auch jedes Jahr Tulpenlieblinge. Hier ein paar für mich herausragende Blüten, die mich bei jedem Gartengang in Begeisterung versetzen:

 

La belle Epoque ein barocker, leicht morbider, unfassbar tiefer Blütenkelch in einem einzigartigen Aprikosenrosa welches in Champagnerbeige übergeht.

 

 

Green Wave, eine atemberaubende Papageientulpe mit einer großen Blüte in prächtigrosa und grünem Streifen.

 

Black Hero, eine schwarze Heldin mit dichtgefüllten wunderschönen blauschwarzen Blüten. Sie ist die doppelblütige Version der Tulpe Queen of Night.

 

 

„Bei jedem Schritt mit der Natur bekommt jemand weit mehr, als er sucht.“

 

John Muir, schottisch-amerikanischer Naturphilosoph, 1838–1914

 

 

Dies nur als kleine Auswahl.

 

Herzlichst

Margit Müller-Vorländer