Kolumne 29

Lasst uns Feiern

 

Liebe Gartenfreundinnen und -freunde,

 

dieses Jahr habe ich den halben Monat März nicht in unserem Garten verbracht. Mein tägliches Sein spielte sich 85 km von unserem Zuhause entfernt ab. An diesem Ort sammelte ich meine ersten Frühlingseindrücke begleitet von viel Anstrengung und Sorge.

 

 

„Sorgen sind wie Pflanzen. Je mehr du sie düngst, desto mehr wachsen sie.“

 

Leo Buscaglia, US-amerikanischer Autor, 1924–1998

 

 

Mein Mann hatte Mitte März eine Hirn-OP, und wir können jetzt sagen: alles gut gelaufen und alles andere wird wieder. Die OP wurde im Klinikum Aachen durchgeführt. Der operierende Arzt war ein Segen für uns und auch in der Vor- und Nachsorge ein wichtiger Ruhepol und Sicherheitsgarant. So konnte ich in Zuversicht und bestmöglicher Energie diese schwierige Zeit durchleben.

 

Da ist mir nochmal deutlich geworden, wie wichtig es ist, die richtigen Menschen am richtigen Ort anzutreffen. Menschen, die einen durchlotsen und von ihrem Können beseelt bleiben. „Das ist eine schöne OP. Ich freue mich drauf.“ hat der Arzt vor der OP zu meinem Mann gesagt. Das wurde mein Kraftsatz in diesen Tagen. Gut, dass Leidenschaften so unterschiedlich verteilt sind. Der eine ist gerne Neurochirurg, der andere gerne Journalist oder Gartengestalterin oder, oder, oder … Hauptsache man brennt für etwas!

 

 

„Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“

 

Max Frisch, Schweizer Schriftsteller und Architekt, 1911–1991

 

 

Der brachiale Bau des Klinikums Aachen hat mich beim ersten Besuch erschreckt, mit den Tagen, die wir da verbrachten, aber immer mehr fasziniert. Das Klinikum liegt an der Grenze zu den Niederlanden und ist von Feldern und Wiesen umgeben. Es wird der High-Tech-Architektur zugesprochen, die – wie beim Brutalismus – die Struktur des Gebäudes herausstellt. Glasfassaden, Stahlkonstruktionen und die Gebäudetechnik sind offengelegt und deutlich sichtbar. Das Centre Pompidou in Paris wird ebenfalls dieser Architektur zugerechnet.

 

 

Für mich wurde der Kontrast zwischen diesem radikalen Bau und den lieblichen Feldern und Wiesen in der direkten Umgebung irgendwann zu einem faszinierenden Miteinander. Gerade, wenn ich abends in der Dämmerung das Krankenhaus verließ, hatte es für mich etwas Science-Fiction-ähnliches: hell erleuchtet, von weitem sichtbar, wie ein Ufo, das irgendwo gelandet ist. Zudem hielten sich abends immer unfassbar viele kreischende Krähen auf den Türmen auf. Sie flogen ihre Performances und versammelten sich dann wieder auf den Zinnen der High-Tech-Architektur. Ein irres Spektakel.

 

Im kompletten Innenbereich des RWTH-Klinikums ist ein grasgrüner Kautschukboden verlegt. In der Eingangshalle wird man von einem grün-gestreiften Teppichboden empfangen – und vom Café Grün.

 

 

Grün, was macht das mit unserer Psyche…?

 

Jeder kennt das Gefühl, nach langen, kalten, grünlosen Zeiten wieder das satte Grün in der Natur und im eigenen Garten wahrzunehmen. Dieses frische, freundliche, aufmunternde Sinnbild für Leben, Hoffnung, Wohlbefinden und vieles mehr.

 

Nach dem so grauen und schmuddeligen Winter ist jetzt die Zeit der vielen kleinen Frühlingswunder. Gartenenthusiasten lässt jeder neue Trieb das Gärtnerherz höher schlagen. Meine täglichen Gänge durch unseren Garten habe ich nach dem Krankenhausaufenthalt wieder aufgenommen. Sie werden von Tag zu Tag ausführlicher, aufmerksamer und verweilender.

 

 

Und mein ganz besonderes Highlight: Gestern Abend saß ich mit meinem Mann das erste Mal in diesem Jahr auf unserer geliebten Abendbank in der Sonne und schaute unseren unterschiedlichsten Vogelarten beim Speisen an ihren Futterstellen zu. In diesen Momenten tritt eine große Ruhe in meinen Körper ein. Weil: Ich schaue still und beglückt zu, wie diese putzigen Tierchen emsig ihre geschälten Sonnenblumenkerne verzehren und sich übereifrig in Futterneid verzetteln. Mit Riesenspektakel, aufgeregtem Geflattere und Gepiepse erkämpfen sie sich ihren Premiumplatz am Futterhäuschen.

 

 

„Unser Frühling ist endlich gekommen, mit dem sanften Lachen der Aprilsonne und dem Schatten der Aprilschauer.“

 

Byron Caldwell Smith, US-amerikanischer Autor, 1849–1877

 

 

Ich möchte Allen an dieser Stelle voller Frohsinn und Glück am liebsten zurufen:

 

Es geht wieder los!

Es wird wieder grün!

Das Leben findet wieder fast :-) ausschließlich draußen statt!

Rein ins Beet oder auf die gemütliche Gartenbank!

Hauptsache Garten und raus!

 

Herzlichst

Margit Müller-Vorländer

 

 

„Der Frühling ist die Art und Weise, wie die Natur sagt: Lasst uns feiern!“

 

Robin Williams, US-amerikanischer Schaupieler, 1951–2014